Endlich setzte sich der Zug in Bewegung - er entführte prallgefüllte Koffer, Taschen, Rucksäcke gen Süden. Genauer: Nach Italien, das sich ihre 11 Besitzer als Ziel für die Studienfahrt des Latein-Lks auserkoren hatten.
Zunächst stand eine Woche im antiken Mittelpunkt der Welt, Rom, auf dem Programm, gefolgt von ebensoviel Zeit in und um Pompeji, das als Ausgangspunkt für mehrere Tagesausflüge nach Neapel, Paestum und auf den Vesuv diente.
Ankunft in Rom. Die Nacht im Liegewagen war schlaf- und platzarm, die Temperaturen stiegen exponentiell, der Weg zur Unterkunft war weit. Und dann: Das Hotel war überfüllt; wir mußten weiter! Aber das nächste war schnell gefunden; doch wer glaubte, sich jetzt ausruhen und erfrischen zu dürfen, hatte sich getäuscht. Sofort hieß es: Aufbruch zu einer ersten Stadterkundung, die uns quasi über alle sieben Hügel Roms führte. Erst als wir Colosseum und Forum Romanum erblickten, kehrten unsere Kräfte zurück. Unsere so gestärkte Psyche und der bald erspähte Pizzastand vor der Haustür, der die physischen Kräfte aufrecht erhielt, ließ uns die folgenden Tage nicht nur überstehen, sondern auch genießen. Diese verliefen in der Regel etwa so:
Nach dem ersten Treffen beim Frühstück gegen 8:00 brachen wir auf, um antike Kunst- und Bauwerke sowie mittelalterliche Kirchen zu besichtigen - unter anderem das Colosseum, die Domus Aurea Neronis und die Villa Borghese, von denen die beiden letzteren über dreißig Jahre "in restauro" gewesen sind. Nach dem Programm, das zwischen 14 und 16 Uhr endete, holten wir zunächst die Mittagspause nach (z.B. auf der Spanischen Treppe oder dem Palatin) und erkundeten die Hauptstadt dann auf eigene Faust, mal mit einem bestimmten Ziel vor Augen, mal nach dem beliebten Motto unseres Lateinlehrers Hans-Ulrich Lucke: "Einfach treiben lassen!" Dabei entdeckten wir sonnenüberflutete Piazzen mit kühlenden Brunnen verschiedener Künstler aus Renaissance und Barock, an denen das italienische "gelato" gleich doppelt so gut schmeckte.
Mehr als nur als obligatorischen Pflichtbesuch empfanden wir den Besuch der Vatikanischen Museen, ein beeindruckendes Erlebnis, obwohl wir dort wieder dem gefürchteten "in restauro"-Schild begegneten, das uns den Anblick der Statue des Augustus von Prima Porta vorenthielt. Dafür aber sahen wir die Laokoon-Gruppe endlich im Original, die uns in Wort und Bild bereits im Lateinunterricht beschäftigt hatte.
Am ersten Regentag verabschiedeten wir uns von Rom und fuhren durch italienische Dörfer bis nach Pompeji. Als einziges Negativum ist wahrlich nicht das Hotel mit Swimmingpool zu nennen, sondern vielmehr unsere ständige Begleitung dort. Damit meinen wir weder die begleitenden Lehrer Lucke und Tillmanns, noch die Mädchen hinterherpfeifenden männlichen Einheimischen, sondern die zahlreichen Straßenhunde, die loszuwerden sich schnell als Unmöglichkeit herausstellte. Die Ausgrabungsstätten in Pompeji Scavi und Herkulaneum erwiesen sich als Möglichkeit, einmal die alltägliche Seite des Lebens in der Antike zu bestaunen (z. B. eine schnellimbissartige Garküche). Auch vom modernen italienischen Leben bekamen wir einen Eindruck, als wir Neapel mehrere Besuche abstatteten, bei denen es uns seine zwei Gesichter zeigte: Einmal das der kleinen Fischerstadt mit bunt-belebten Märkten, dann das der dichtbevölkerten Großstadt mit ausgesprochen verwirrenden, aber offenkundig landestypischen Verkehrsverhältnissen, die das Überqueren von Straßen jedesmal zu einem Abenteuer machten. Von der Einstellung der Italiener zur Verkehrssicherheit haben wir auf dem Vesuv einen besonderen Eindruck gewonnen: In einem Neunpersonenbus fuhren wir zu zwölft mit 60-70km/h auf engen Serpentinenstraßen (Tempolimit: 30) den Berg hinauf - abgesichert durch kurzes Hupen vor jeder Kurve. Dennoch stellte der Vesuv ein beeindruckendes Erlebnis dar; nicht nur daß man einen sehr schönen Blick auf die Bucht von Neapel hatten, sondern auch daß man direkt in den Krater blicken konnte, aus dem Rauchschwaden aufstiegen...
Zurüch zu Neapel: Oberhalb der Stadt liegt auf einem Hügel das Schloß Capodimonte inmitten eines wunderschönen Parks, wie es sie wohl nur in den Mittelmeerländern gibt. Mehr als die ausgestellten Gemälde u.a. von Tizian, die unseren Lateinlehrer begeisterten, faszinierten uns Schüler aber das Museo Nationale, das neben den üblichen Statuen die einzigen erhaltenen antiken Mosaiken (z.B. das berühmte von der Alexanderschlacht) und Wandgemälde beherbergt. Nach dem "offiziellen" Programm war die Möglichkeit, sich einmal am Yachthafen auf einer Mole ans Meer zu setzen ebenso gegeben wie die, Nudeln und andere typisch italienische Mitbringsel zu kaufen. Wer das allerdings für den letzten Tag in Italien vorgesehen hatte, mußte sich in unserem Fall von sintflutartigen Regenfällen einen Strich durch die Rechnung machen lassen.
Schönes Wetter hatten wir hingegen, als wir einen Ausflug nach Paestum machten, wo die besterhaltenen griechischen Tempel stehen.
Persönlich hat mich der Besuch des Forum Romanum, der Domus Aurea sowie der Ausgrabungsstätten in Pompeji am meisten begeistert, da dort die Erinnerungen an die Antike und das alltägliche Leben von damals am eindrucksvollsten und präsentesten waren. So sind die sowohl aus Büchern als auch aus Unterricht bekannten Fakten und Geschichten lebendiger geworden.
Mir dagegen haben vor allem die Dinge gefallen, von denen ich - insbesondere durch den Archäologieunterricht - bereits einiges wußte, so z.B. die Ara pacis, die zwar "in restauro" war, aber dennoch durch die Glaswände des Museums recht gut betrachtet werden konnte, und die Tempel in Paestum.
Rückkehr in Bielefeld. Die Koffer- und Taschenbesitzer verlassen den Zug. Natürlich Regenwetter. Wir vermissen Sonne und Antike, freuen uns aber auf unsere Betten und ruhige sowie erholsame Ferien - und natürlich die Erinnerungsphotos und den hoffentlich bald stattfindenden nächsten Italienurlaub...