Cecilia Tenge-Rietberg
Bernadette Böllhoff
Großbritannienfahrt 2013: Eight cities in ten days
7.5.2013, 21 Uhr Bielefeld: Abfahrt: Die letzten Schüler der Englisch- und Geschichts-Leistungskurse sowie des Erdkunde-Grundkurses des Ratsgymnasiums Bielefelds trudeln auf dem Parkplatz des Tierparks ein. Alle sind für eine lange Busfahrt und die folgenden zwei Wochen in verschiedenen Städten Großbritanniens gewappnet. Wir verabschieden uns also für die nächsten zehn Tage von Familie und Freunden und steigen in Peters Bus. Mit dem „Reader“ in der Hand, den unsere begleitenden Lehrer, Frau May und Herr Magofsky mit viel Mühe zusammengestellt haben, steigt die Vorfreude auf die vielversprechenden Inhalte und die verschiedenen Zielorte der Kursfahrt.
Es stehen ganze acht Städte auf dem Programm! Es ist übrigens die erste Studienfahrt des Ratsgymnasiums, welche durch ganz Großbritannien führt.
London calling!
Nach 12 Stunden Fahrt mit Bus und Fähre erwartet uns ein strammes Programm in der schönen Hauptstadt Englands: London! Zur gleichen Zeit wie die unserer Ankunft spielt sich die traditionelle Eröffnungsfeier des englischen Parlamentes ab, deren Ende wir gerade noch miterleben können. Um noch einen flüchtigen Blick auf die Queen erhaschen zu können, bewegen wir uns also zügig Richtung Westminster, dem Zentrum der englischen Politik. Die Queen bekommen wir zwar nur kurz zu sehen, jedoch sind der Tumult und die Zeremonie vor dem Houses of Parliament um diese herum mindestens ebenso beeindruckend.
Den Rest des Tages erlaufen wir zu Fuß durch den traditionellen Teil Londons, Westminster: Buckingham Palace, Westminster Abbey, the Houses of Parliament. Trafalgar Square, Whitehall werden morgens besichtigt, nachmittags geht es in die National Gallery, in der wir in kleinen Gruppen bedeutende Gemälde studieren und später unseren Mitschülern präsentieren.
Am nächsten Tag dreht sich alles um Londons Stadtgeschichte und die ökonomische Entwicklung der Stadt. Zunächst werden alte Sehenswürdigkeiten der City of London, wie z.B. Tower Bridge, Tower of London und das „Monument“ im Gedenken an den großen Brand in London 1666 besichtigt.
Unser Weg zur St. Paul's Cathedral führt durch das moderne Business-Viertel, Zentrum des neben New York wichtigsten Banken-, Börsen- und Finanzdienstleistungsplatzes der Welt. Eine kurze Pause nehmen wir zuvor noch im Leadenhall Market. An der berühmten Kathedrale im Stil des Barock angelangt bekommen wir einen Audio-Guide und haben dann reichlich Zeit, uns eine der größten Kirchen Englands genauer anzusehen. Einige Tapfere unter uns klettern sogar die 528 Treppenstufen hoch bis auf den Turm und genießen – von den historischen Baudenkmälern bis zu den modernen Bankenhochhäusern – einen überwältigenden Blick über London!
Anschließend geht es natürlich noch weiter in unserem Museumsmarathon: Es steht die Wahl zwischen dem Shakespeare-Museum, um sich vor dem abendlichen Programm mit Englands berühmtesten Dichter des 16. Jahrhunderts ein wenig bekannter zu machen, oder dem British Museum, welches neben der Tate Modern oder der National als eines der weltweit wichtigsten kunst- und kulturgeschichtlichen Museen gilt.
Gegen neunzehn Uhr besuchen wir als komplette Gruppe das Theaterstück „The Tempest“ von William Shakespeare im Globe Theatre. Als „Groundling“, so nennt man die Besucher mit den traditionellen Stehplätzen direkt vor der Bühne, sind wir unmittelbar in das Theaterstück eingebunden und dürfen miterleben, wie Theater vor vielen Jahrhunderten zu Lebzeiten Shakespeares ablief. Trotz des englischen Wetters im Theater bleibt dies sicherlich als beeindruckend in unserer Erinnerung.
Am dritten und letzten Tag in der Hauptstadt widmen wir uns den sozialräumlichen Unterschieden. Nach einem kurzen Aufenthalt am Watney Market in Shadwell, der einen Hinweis auf die Immigration und Armut in der 8 Mio.-Metropole gibt, geht es weiter zu der Isle of Dogs, wo wir das im Zuge der Erweiterung des Bankenviertels revitalisierte ehemalige Hafen- und Industriegebiet unter die Lupe nehmen. Nachdem wir kurz in Greenwich noch auf dem Nullmeridian, also zugleich in der Ost- und Westhälfte der Weltkugel stehen, haben wir im Zuge des „Monopoly“-Spiels die Möglichkeit uns eigenständig etwas „umzuschauen“ und uns selbst mit der Stadt vertraut zu machen. Die Aufgabe ist, ein Monopoly-Spielbrett der Stadt London aus den dreißiger Jahren zu aktualisieren, d.h. die verschiedenen Stadtteile und Straßen Londons nach verschiedenen Kriterien zu vergleichen (Wohnungskaufpreis-, -miete, Nutzung, Image etc.) und in eine neue Rangordnung für das Jahr 2013 zu bringen, wenn man so will, ein neues Monopoly zu erstellen. Unsere Gruppe wählt beispielsweise Picadilly Circus und Leicester Square aus, eine sehr belebte, touristische Gegend im Zentrum Londons. Bevor einige abends die Möglichkeit nutzen, das Kunstmuseum Tate Modern zu besichtigen, vergleichen wir anschließend noch kurz die „Ergebnisse“ des Monopoly-Spiels.
Oxford, home of the most prestigious universities in England
Am nächsten Tag heißt es Abschied nehmen von London. Auf nach Stratford! Unterwegs legen wir einen Stopp in Oxford ein. Dort verbringen wir zwar nur wenige Stunden, doch mit dem kleinen Stadtrundgang und ein paar Stunden Freizeit, bekommen wir einen runden Eindruck vom englischen Studentenleben. Zwei der Colleges der University of Oxford, das Balliol College und das Christ Church College, schauen wir uns genauer an und erfahren dort mehr, sodass uns zum einen die Historie der Universitäten, zum anderen auch das moderne Studentenleben näher gebracht werden.
Stratford
Nachdem wir bereits im Shakespeare Globe Theatre einen kleinen Einblick in dessen Werke gewonnen haben, steht nun das Leben des berühmtesten englischen Dichters und Schriftstellers im Fokus unseres Interesses. Wir fahren von Oxford nach Stratford-upon-Avon, in ein kleines Youth Hostel etwas außerhalb des Stadtzentrums. Wir alle sind unglaublich angetan von diesem ländlichen Ort und Haus, in dem es sogar eine entzückende Selbstversorgerküche gibt. Einige der Jungs kochen für uns alle Spaghetti und wir lassen den Abend so gemütlich ausklingen.
Am nächsten Morgen geht es schon früh ins Zentrum Stratfords, wo wir mithilfe der informativen Referate viel über das Leben in der Elisabethanischen Zeit und Shakespeares Leben und Schaffen erfahren. Neben dem Geburtshaus Shakespeares können wir auch dessen Taufbecken und Grab in einer kleinen Kirche besichtigen und anschließend auf dem Markt am Fluss Avon bei strahlendem Sonnenschein noch einige „Mitbringsel“ kaufen. Denn es soll auch schon weiter gehen.
Next stop: Ex-Industriemetropole Manchester
Wie wir wissen, gilt England in vielen Bereichen der europäischen und globalen Kulur als Vorreiter: nicht nur in der Literatur, wie es das Beispiel Shakespeares zeigt, sondern besonders bei der Industrialisierung des neunzehnten Jahrhunderts. Im riesigen Museum of Science and Industry bekommen wir Einblicke in die verschiedensten Bereiche der englischen Industrialisierung, von der Dampfmaschine und dem mechanischen Webstuhl bis zum Städtebau und dem Abwassersystem.
Von England nach Schottland
Edinburgh, Schottland lautet dann auch schon unser nächstes großes Reiseziel. Dafür fahren wir mit dem Bus Richtung Norden und halten aufgrund der längeren Anreise an verschiedenen Orten. Gretna Green ist der erste „Kurzstopp“. Ein Ort, der früher für Liebespaare eine große Bedeutung hatte. Dort, unmittelbar hinter der Grenze zu England durfte man sich schon im Alter von nur sechzehn Jahren verloben, was unzählige Paare in den Ort zog. Noch heute kommen etliche von älteren Ehepaaren dorthin zum Lunch oder Tea und erinnern sich an ihre Jugend.
Danach machen wir Halt in New Lanark. Wir sehen uns die ehemalige Baumwollfabrik und Mustersiedlung aus der Zeit der Industrialisierung an, die im Sozialbereich als Vorreiter in Bezug auf Bildung, hygienische Versorgung und Arbeiterrechte gilt.
Als dritter Kurzaufenthalt wird uns in South Queensferry ein wunderschöner Ausblick auf den sogenannten Firth of Forth und die beiden Forth Bridges geboten.
Edinburgh: „Athen des Nordens“
Als wir in der Hauptstadt Schottlands ankommen, geht es auch gleich an die Spitze: Wir wollen die letzten Stunden des Tages nutzen, um 250 m hoch zum „Arthur´s Seat“ hinauf zu wandern. Dort erwartet uns ein atemberaubender Ausblick über die gesamte Stadt, den Firth of Forth und die Nordsee. Wir genießen die typisch schottische Landschaft innerhalb der bedeutenden und wahnsinnig beeindruckenden mittelalterlichen Stadt Edinburgh. Die Vorfreude auf die nächsten drei Tage steigt!
Am nächsten Morgen steht ein geführter Stadtrundgang an. Mit unserem sehr sympathischen Guide, James, gehen die knappen drei Stunden um wie im Flug - in einer kurzen Tour durch ganz Edinburgh lernen wir sowohl die wichtigsten „Landmarks“ als auch kleinere Ecken Edinburghs kennen. James erzählt mittelalterliche Schauergeschichten und zeigt uns, wo und wie die Leute damals lebten.
In unserer Freizeit bieten uns die Lehrer erneut eine Möglichkeit zwischen zwei Programmpunkten zu wählen, wie dem Besuch des Edinburgh Castle und einem literarischen Museum, das die berühmtesten Schriftsteller Schottlands vorstellt. Einer dieser Schriftsteller ist zum Beispiel Sir Walter Scott, dessen ehemaliges Ferienhaus/Museum wir auf einer der weiteren Reisen als Zwischenstopp in Melrose besichtigen.
Roman Fort, Hadrian´s Wall
Auf dem Weg nach Durham halten wir beim Housesteads Roman Fort, Überreste des römischen Hadrianswalles. Wir lernen im anliegenden Museum und durch die Vorträge unserer Begleiter viel über die britische Insel im Imperium Romanum. Leider kann man nicht grade von gutem Wetter dort sprechen... Es regnet in Strömen – so richtig „englisch“ eben!
Durham und York
Die Geschichte Durhams und die romanischen Kirche mit ihren architekturgeschichtlichen Besonderheiten werden uns durch einen Kirchgang und Vorträge der begleitenden Lehrer nahe gebracht.
Unser nächstes und letztes Reiseziel gilt als Zentrum des englischen Mittelalters und heutzutage als eine der schönsten Städte Englands. Dort beschäftigen wir uns nach einem kleinen Stadtrundgang in selbstständigen Gruppen im York Minster, einer der größten und beeindruckendsten gotischen Kirchen in Nord-Europa. Eins müssen wir unseren Lehrern lassen: Wir können nun endlich von uns selbst stolz behaupten, dass wir die verschiedensten Baustile der englischen Architektur beherrschen.
Amsterdam
Mit der Nachtfähre setzen wir abends nach Holland über. Als weiterer Bonus unserer Fahrt wird uns die Möglichkeit eines Kurzausfluges nach Amsterdam als Abschluss unserer Exkursion geboten. Wir verbringen den restlichen Morgen zwischen wunderschönen Grachten und kleinen Cafés.
Eight cities in ten days...
Es erscheint uns allen fast unglaublich, wie viele Orte wir in dieser kurzen Zeit besichtigt haben - London, Oxford, Stratford, Manchester, Edinburgh, York, Durham und natürlich viele andere kleinere Städte. Sicherlich waren einzelne Städte für den ein oder anderen interessanter oder attraktiver, doch als Schüler erhielten wir so eine Art Gesamtbild Großbritanniens und schnappten gleichzeitig kleine Einblicke in das typisch englische Leben auf.
Trotz der generalisierenden Feststellung, dass der Regen „das Leitmotiv“ der Exkursion war, bleiben Erinnerungen an wunderschöne Landschaften und beeindruckende Städte mit enormer Geschichte übrig. Die informativen Referate unserer Mitschüler, die intensive Vorbereitung von Frau May und Herrn Magofsky, sowohl vor, während und nach der Fahrt, sowie das Interesse aller Mitfahrenden ermöglichten uns, die Kultur und Geschichte des Landes, in gleicher Weise aber auch die Mentalität der Menschen kennen zu lernen. Sowohl diejenigen, die schon einmal in Großbritannien waren, aber auch die, die das erste Mal Großbritannien besuchten, waren gut in das Programm eingebunden. Es gab zum einen „touristische“ Programmpunkte, doch zum anderen genossen wir auch die Freiheiten, jene Sehenswürdigkeiten oder Orte zu besuchen, die uns ganz individuell interessierten. Diese kulturelle Freiheit, namentlich die englische und schottische Kultur so zu erleben, wie wir wollten, war uns mit dem Rahmenprogramm möglich. Natürlich hatten die Lehrer es nicht immer leicht mit uns! Denn bei so viel Programm war auch die eine oder andere Beschwerde zu hören. So sind wir launischen Jugendlichen eben! Im Rückblick ist dennoch zu sagen, dass wir alle froh und stolz sind behaupten zu können, einen Einblick in die englische und schottische Kultur und Geschichte gewonnen zu haben. Acht (Groß-) Städte in zehn Tagen? Empfehlenswert – doch gerne ein wenig länger.
Anmerkung der begleitenden Lehrer
Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen Schülern noch einmal ganz herzlich für die Fahrt sowie den im Anschluss an die Reise mit großer Mühe erstellten Bildband bedanken, der uns ein bleibendes Andenken an diese Studienfahrt sein wird: VIELEN DANK!