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kurzportrait1Sie leiten das Ratsgymnasium: Schulleiter Hans-Joachim Nolting mit seiner Stellvertreterin Ira Melcher

Foto: Sabine Schulze

Bielefeld (WB). Vor zehn Jahren hat das Ratsgymnasium das 450-jährige Bestehen gefeiert. Die Wurzeln der Schule aber reichen viel weiter zurück: bis in das Jahr 1293, als in Bielefeld eine Lateinschule gegründet wurde.

725 Jahre ist das in diesem Sommer her, begangen wird dieser runde Geburtstag gleichwohl nicht. »Wir haben 2008 gefeiert, das würde jetzt wohl zur Verwirrung führen«, meint Schulleiter Hans-Joachim Nolting. Zumal die ununterbrochene Kontinuität nicht ganz klar ist.

Sicher aber ist, dass 1293 Graf Otto III. von Ravensberg und seine Gemahlin Hedwig das Marienstift gründeten – und damit auch eine Schule. »Den das Amt des Scholastikers gehörte zu jedem Stiftskapitel«, schreibt Prof. Dr. Reinhard Vogelsang in seiner dreibändigen Stadtgeschichte. Schulmeister wurde Ecbert von Oldendorpe – der in Bielefeld durchaus einen Kollegen hatte: Bereits für 1282 ist eine städtische Schule nachgewiesen, der Schulmeister Magister Johannes vorstand.


Erst 1553 neue Hinweise

Viel, so Vogelsang, weiß man nicht über diese frühen Jahre, gleichwohl können die Schulen nicht so schlecht gewesen sein, folgert er. Denn Bielefelder Studenten fand man in Prag, Köln, Erfurt, Rostock und Löwen. Erst 1553 gibt es wieder Hinweise: Damals bestellten Rat und Marienstift gemeinsam einen Rektor. Da ein Teil seines Gehaltes aus den Einkünften des Marienstiftes bestritten wurde, schließt Vogelsang, dass es sich bei dieser Leitung um die der alten Stiftsschule handelte. Die war mittlerweile protestantisch, der Unterricht galt zuvorderst der »evangelischen Unterweisung«.

Die Chronik des Ratsgymnasiums geht von 1558 als Gründungsjahr aus: Vermutlich in diesem Jahr sei die Lateinschule (mit nur einem Scholasticus) vom evangelischen Stadtrat in eine Stadtschule (mit nun drei Lehrern) umgewandelt worden.

Ob es nun Brüche in der Schulgeschichte gab oder nicht, die Wurzeln des »Rats« reichen 725 Jahre zurück. Und das Lateinische spielt noch immer eine Rolle. Das Ratsgymnasium ist die einzige Schule in Bielefeld, an der Latein ab Klasse 5 unterrichtet wird und die zuverlässig Latein-Leistungskurse anbietet: ein Alleinstellungsmerkmal.


Latein bedeutet Methodenschulung

»Lateinunterricht ist eine Denkschule, Latein bedeutet Methodenschulung und Erziehung zur Genauigkeit«, sind sich Schulleiter Nolting und seine frisch bestellte Stellvertreterin Ira Melcher einig – auch wenn Nolting betont, dass längst mehr Schüler den Schwerpunkt der MINT-Fächer wählen, wenn es neue, für Experimente eingerichtete Räume für den naturwissenschaftlichen Unterricht gibt, das Gymnasium seit Jahren eine Arbeitsgemeinschaft »Jugend forscht« und eine Roboter-AG hat.

»Aber der Ruf des Altsprachlichen hält sich...«, konstatiert er ein wenig schicksalsergeben. Und verweist auf die Schwerpunkte soziales Lernen und ästhetische Erziehung, auf internationale Austauschprogramme und Aufenthalte im eigenen Schullandheim auf Langeoog.

Seit Jahren auch gibt es ein »Doppelsprachenprofil«: Neben die alte Sprache Latein tritt in der Sexta, der Eingangsklasse, sofort Englisch als »lebendige« Sprache. Dadurch gibt es in Klasse 6 keine Sprachdifferenzierung und kein »Auseinanderreißen« der Klassen. Ira Melcher verkörpert das Doppelsprachenprofil in Person: Die 47-Jährige unterrichtet genau diese beiden Sprachen. Womit, betont Mathematiklehrer Nolting, auf Schulleiterebene nun das Naturwissenschaftliche und die Sprachen gleichermaßen vertreten seien.

Melcher wurde in Hagen geboren, wuchs in Herdecke auf und legte dort 1990 das Abitur ab. Sie studierte in Münster und Manchester und war in den vergangenen 19 Jahren am Kreisgymnasium Halle tätig. Am Ratsgymnasium reizte die Mutter zweier Kinder (14 und 12) die starke Stellung des Lateinischen. Nun muss sie nach und nach ihre 70 neuen Kollegen kennenlernen.

WB, 28.08.2018