Corona schränkt den Alltag eines jeden ein – so auch in der Schule. Normalerweise steht in der 12. Klasse eine Exkursion nach Münster zum Thema Stadtgeographie an. Aufgrund der immer dominierender werdenden Omikron-Variante und der hohen Fallzahlen musste diese jedoch abgesagt werden. Um den SchülerInnen aber trotzdem eine Alternative zu bieten, beschloss die Erdkundefachschaft, den Ausflug kurzerhand direkt vor die Tür des Ratsgymnasiums zu verlegen: nach Bielefeld.
Der Tag der Exkursion begann mit dem Zusammenkommen aller Erdkunde-Kurse im Forum, wo für knapp zwei Stunden in Kleingruppen an Referaten gearbeitet wurde. Jede Gruppe musste sich außerdem einen thematisch geeigneten Standort in der Stadt überlegen, an dem der Vortrag präsentiert werden sollte.
Begonnen wurde mit dem ersten Thema „Sozialräumliche Gliederung Bielefelds und Perspektiven der Stadterneuerung“ im Forum. Es wurden verschiedene Maßeinheiten, wie der Jugendquotient, erläutert und auf unsere Stadt angewendet. Vorgestellt wurde auch ein Projekt in Baumheide zur Attraktivitätssteigerung und Aufhebung der sozialen Segregation.
Im Anschluss gingen wir der Stadtgenese Bielefelds auf den Grund. Auf der Suche nach mittelalterlichen Spuren ging es zunächst bei eisigen Temperaturen, ca. -5°C, auf die Sparrenburg. Sie ist eng mit der Geschichte Bielefelds verknüpft. So geht der Ursprung der Stadt auf das Jahr 1214 zurück; die Burg wurde wenige Jahre später, um 1240, zum Schutz der Ravensberger Grafen gebaut wurde, welche für die Gründung der Stadt verantwortlich waren.
Weitere Spuren des Mittelalters ließen sich in der Altstadt wiederfinden. Die Vortragenden erzählten uns vor dem Crüwell-Haus, in welchem sich heute das Geschäft SØR befindet, dass dieses 1530 gebaut und 1813 von der Familie Crüwell erworben wurde. Die Familie ist bis heute im Besitz des Hauses.
Als nächstes zeigte uns die folgende Gruppe die Ankergärten – ein Beweis dafür, dass Gentrifizierung auch in unserer Stadt zu finden ist. Zur Erinnerung: Gentrifizierung beschreibt den Aufwertungsprozess eines Stadtteils durch Sanierung oder Umbau, wobei die ansässigen Einwohner durch wohlhabende Bevölkerungsschichten verdrängt werden. Ganz typisch für den Prozess der Gentrifizierung entstand das heutige urbane Wohnquartier auf einem alten Industriegelände. Heute befinden sich dort 93 Wohnungen und ein begrünter Innenhof. Die Preise liegen zwischen beachtlichen 2.700 und 3.300 €.
Am gleichen Standort wurde die wassersensible Stadtentwicklung Bielefelds thematisiert. Der Klimawandel und der dazugehörige Anstieg der Temperatur sind besonders in Städten eine Herausforderung. Ein Umdenken in der Stadtplanung ist hier notwendig. In Bielefeld wird ein Anstieg von 3,5°C bis 2100 erwartet. Diese Erkenntnis kann nicht ohne Reaktion bleiben. Ein Projekt der Stadt Bielefeld ist die Offenlegung der Lutter in der Ravensberger Straße. Diese soll künftig zur nachhaltigen Erneuerung und Attraktivitätssteigerung beitragen.
Weiter ging es auf das Gelände der ehemaligen Ravensberger Spinnerei. In der Zeit der Industrialisierung, ihr Grundstein wurde im späten 19. Jahrhundert gelegt, war sie sogar eine der größten Flachsspinnereien Europas. Infolge des Strukturwandels, ausgelöst durch die Deindustrialisierung ab etwa 1960, musste die Spinnerei 1974 jedoch aufgegeben werden. Heute befinden sich unter anderem die Volkshochschule und das Historische Museum Bielefeld dort.
Die letzte Station markierte der sich besonders im Moment im Umbruch befindende Jahnplatz im Rahmen der aktuellen Stadtentwicklung. Dieser soll nach einem klimafreundlichen Mobilitätskonzept ausgerichtet werden und an Lebendigkeit gewinnen. Ursache für den Umbau war der erhöhte Stickstoffdioxid-Wert, weswegen der motorisierte Individualverkehr am Jahnplatz schon jetzt reduziert werden soll.
Diese Exkursion hat deutlich gezeigt: Man braucht nur vor die Tür der eigenen Schule zu gehen, um Stadtgeographie in ihrer ganzen Breite zu entdecken. Corona hat also erfinderisch gemacht und den Blick auf das Nächstliegende gelenkt: auf Erkundungen in der eigenen Heimatstadt.
Bielefeld, den 22.12.2021
Ann-Katrin Uffmann, Q2, Geographie-Kurs von Frau Schrodt