Sabine Jung-Lösings konzentrierte Fassung von Max Frischs Stück wurde am 21. und 22. Februar 2014 im Movement Theater lebendige Realität, die Spieler und Zuschauer von Anfang an ergriff.
Auf Barblins (Kasia Schwartz) fröhliche und liebevolle Zärtlichkeit kann Andri (Okan Bagci) schon nicht mehr reagieren: zu sehr hält ihn das Bild gefangen, das die bigotten Andorraner von ihm als vermeintlichem Juden haben. Es ist die Identität, die sein Vater ihm gab, als er den unehelichen Sohn in seine Familie brachte, und er hat diesen Fluch des Andersseins längst verinnerlicht. Als der Sohn endlich durch den Pater die Wahrheit erfahren soll, ist es zu spät. Andris Mutter, die Senora (Alexandra Wieland), fordert mit klarer Stimme und Haltung von ihrem ehemaligen Partner Mut und Würde, ohne seine Feigheit und Halbherzigkeit (glaubhaft in der Verkörperung von Jan Ebert) durchbrechen zu können, und - wird kurz darauf gesteinigt. Diese tödlichen archaischen Verhaltensmuster arbeitet die stringente Fassung von Frau Jung-Lösing wunderbar klar heraus. Des Paters (Maximilian Middelhoff) salbungsvolle Predigt bleibt all dem gegenüber wirkungslos; sein wehendes weißes Gewand symbolisiert die heuchlerische Unschuld der Andorraner. Ihre latente Aggressivität arbeitet Riduan Schwarzens Peider lustvoll heraus, die späte Nachdenklichkeit (an der Rampe Tarik Wörmann) repariert nichts mehr. Die kurzen Atempausen zwischen den Szenen füllt Ariane Mader mit melancholischen Weisen auf ihrer Oboe.
Fiona Schlüter als Souffleuse und Merle-Sophie Lösing sowie Almut von Wedelstedt in der Technik sorgen für einen störungsfreien Ablauf, so dass die unsterbliche Aktualität von Frischs Modell Andorra – „plötzlich bist du so, wie sie sagen“ alle in ihren Bann zieht.
Brunhild Hilf