„Der Streit“ von Pierre de Marivaux und „Nachtschwärmer“ von Thomas Oberender
Im 250. Todesjahr des französischen Schriftstellers und Dramatikers Pierre de Marivaux, gestorben am 12. Februar 1763, proben Schüler des Ratsgymnasiums Bielefeld dessen Komödie „Der Streit“ (La Dispute, 1744). Marivaux setzte sich in seiner Zeit vor allem mit aufklärerischen Themen auseinander, wobei es in seinen Stücken häufig um die Bedeutung der Liebe in der Standesgesellschaft und deren allmähliche Veränderung hin zur „Herzensangelegenheit“, zur Gefühlskultur geht. In „Der Streit“ wird die Frage gestellt, welches Geschlecht die Untreue in die Welt bringt. Dafür gibt es auf der Bühne eine Versuchsanordnung, ein Experiment: Vier unabhängig voneinander und von der Gesellschaft isoliert aufgewachsene Kinder werden als junge Erwachsene in eine Wirklichkeit geworfen, in der sie nicht nur zum ersten Mal auf das eigene Spiegelbild treffen, sondern auch auf Personen aus der Gegenwelt. Der Verlauf ihrer Begegnungen und wechselseitigen Reaktionen ist so komisch wie ernüchternd und verblüfft durch viele Gegenwartsbezüge.
Eine zweite Theatergruppe am Ratsgymnasium arbeitet an Thomas Oberenders Stück „Nachtschwärmer“ (2000), das sich am Grimmschen Märchen „Die zertanzten Schuhe“ orientiert. Auch darin wird der Versuch unternommen, Heranwachsende – hier drei Mädchen – zu isolieren und vor den schädlichen Einflüssen der äußeren Welt zu schützen. Während es sich bei „Der Streit“ um ein Experiment der Konfrontation handelt, thematisiert Oberender die Flucht aus der Realität. Beide Stücke verdeutlichen die beängstigende Präsenz beobachtender Instanzen: bei Marivaux eine Hofgesellschaft, bei Oberender das Medium Fernsehen. Das Doppelprojekt wird durch die Theaterpädagogin Sabine Jung-Lösing geleitet.